Philosophische Praxis

Eine Form der Lebensberatung

Dorothea Sophie Höck

Philosophische Praxis
„Wir haben uns über unser Dasein vor uns selbst zu verantworten; folglich wollen wir auch die wirklichen Steuermänner dieses Daseins abgeben und nicht zulassen, dass unsre Existenz einer gedankenlosen Zufälligkeit gleiche.“

Friedrich Nietzsche

Die Philosophische Praxis ist eine Form der Lebensberatung. Der Philosoph Gerd B. Achenbach brachte 1981 mit ihrer Gründung in Erinnerung, dass Philosophie nicht nur in Akademien und Lehrhäusern zu Hause ist. Menschen beginnen zu philosophieren, wenn sie sich zum Problem werden, wenn ihnen ihr Leben zur Frage wird, wenn sie die Welt verstehen wollen. Daraus entstand die praktische Philosophie. Den einen schenkt sie Trost, den anderen gibt sie Orientierung in den unterschiedlichsten Lebenslagen.

» Der Gast spricht, die Philosophie antwortet

„Höre geduldig den an, der mit dir spricht, und beeile dich nicht, ihn zu unterbrechen. Man fängt keine Unterhaltung mit Antworten an”, sagt der weise Heykar in „Tausendundeine Nacht”.

„Kritias, du handelst mit mir, als behauptete ich, das zu wissen, wonach ich frage, und als könnte ich also, wenn ich nur wollte, gleich dir beistimmen. So verhält es sich aber nicht, sondern ich suche erst mit Dir, was wir uns aufgegeben haben, weil ich es eben selbst nicht weiß.“

Sokrates in Platons „Charmides“

Der Gast spricht, die Philosophie antwortet

In der Philosophischen Beratung begegnen sich Gast und Philosophin in einem freien und offenen Gespräch. Den Anfang setzt immer der Gast mit seinem Anliegen, seiner Frage, seinem Thema. Aufgabe der Philosophin ist, dem Gast sein Ohr zu leihen und ihm damit zu helfen, sich selbst besser zu verstehen: sie ist ganz für den Gast da und der Gast hört sich selbst zu, indem er in das Ohr der Beratenden und in sein eigenes Ohr hinein erzählt. „Die Seele des Gesprächs ist das Zuhören.“
(Gerd B. Achenbach)

Als Gast in der » Philosophischen Praxis bestimmen Sie, worüber gesprochen werden soll. Das kann eine Frage, ein Problem, eine anstehende Entscheidung sein oder einfach etwas, das Ihnen zu denken gibt und dem Sie mit mir gemeinsam nachgehen möchten. Von Ihnen werden keinerlei philosophische Vorkenntnisse erwartet. Ich werde Ihnen und Ihrem Anliegen meine Aufmerksamkeit schenken. Dabei verfolge ich weder ein „Ziel“, noch bediene ich mich eines Vorrates an Methoden. Der Fortgang des Gesprächs ergibt sich aus dem, was Sie mitbringen.

Jedes Gespräch ist so einmalig und besonders, wie diejenigen, die es führen. Deshalb kennt die Philosophische Praxis zwar eine „Ordnung“ (Beispiel: Der Gast beginnt), aber keine Methode. Methoden schaffen in der Regel einen festen und damit einschränkenden Rahmen, und sie orientieren sich an einem Ziel. Das Beratungsgespräch verfolgt kein vorher festgelegtes Ziel. Es entwickelt seine eigene Regel aus der jeweils besonderen Situation heraus. Es steht nicht unter Zeit- und Handlungsdruck. Nach-Denken braucht seine eigene Zeit. „Slow is beautiful.“ (Odo Marquard)

Die Philosophin antwortet auf das, was sie verstanden hat. Der Gast entscheidet, ob er sich verstanden sieht. So bewegen sich beide gemeinsam auf ein unbekanntes Ziel hin.


„Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Denkvorgang gibt, der ohne persönliche Erfahrung möglich ist.“
Hannah Arendt

Philosophien haben zu allem etwas zu sagen

Es gab nie „die“ Philosophie, sondern immer eine Vielzahl von Philosophien. Aus dieser „bunten Vielfalt“ (Marquard) schöpfe ich als beratende Philosophin im Gespräch mit dem Gast in meiner Praxis. Es gibt keinen noch so abseitig erscheinenden Gegenstand, zu dem nicht Philosophen und Philosophinnen unterschiedliche Gedanken geäußert und aufgeschrieben haben. Das sind zum Beispiel:

Philosophische Praxis
„Betrachte nur die Dinge von einer andern Seite, als du sie bisher ansahst. Denn das heißt eben: ein neues Leben beginnen.“
Marc Aurel

Perspektivenwechsel: „Ich sehe mein Leben jetzt anders.“

Als philosophische Praktikerin biete ich dem Gast andere Sichtweisen auf sich und sein Anliegen an. Ein anderes Licht auf eine Situation, eine Erfahrung, einen zurück liegenden Lebensabschnitt kann die Färbung verändern, in der es uns bisher zu liegen schien. Denk- und Sehgewohnheiten können verwandelt, neue Haltungen erworben werden. Scheinbar Selbstverständliches steht in einem anderen Licht, bisher Übersehenes zeigt sich: zum Beispiel eine Tür, die bisher für uns unsichtbar im Schatten lag. „So habe ich das noch nie gesehen.“

„Eine Bauersfrau pflegte ein Kälbchen von dessen Geburt an auf den Armen zu tragen und zu liebkosen; da sie damit aber unablässig fortfuhr, gewöhnte sie sich so daran, dass sie es auch als ausgewachsen Ochsen noch immer mit sich herumschleppte.“
Michel de Montaigne

Entscheidungen treffen, Gewohntes überprüfen, Neues beginnen

Viele finden sich irgendwann in ihrem Leben in einer Grenz-Situation wieder, in der sie nicht mehr weiter wissen. Eine Entscheidung steht an, die Krise (das griechische Wort für „Entscheidung“) möchte gemeistert werden. Zu den widerstreitenden Gefühlen gehört auch die Angst vor dem Ungewissen. In der Philosophischen Praxis begeben sich Gast und Beratende auf einen gemeinsamen Weg: Was gilt es, aus dem bisherigen Leben zu bewahren, wo muss eine Richtung geändert, wo kann oder muss Neues gewagt werden?

„Können heißt scheitern können.“
Martin Seel

Beispiel: Scheitern

Erfahrungen des Scheiterns gehören zu den großen Bewährungsproben des Lebens. Manchmal gehen wir gestärkt daraus hervor, manchmal drohen wir darin zu zerbrechen. Hoffnungen und Wünsche werden auf den Prüfstand gestellt, bisweilen auch die Selbstachtung. Es steht nicht in unserer Macht, Scheitern zu vermeiden. Die Philosophie verweist auf Haltungen, die helfen, im Scheitern zu bestehen.

„Niemand kann dir die Brücke bauen, auf der gerade du über den Fluss des Lebens schreiten mußt, niemand außer dir allein. Zwar giebt es zahllose Pfade und Brücken und Halbgötter, die dich durch den Fluss tragen wollen; aber nur um den Preis deiner selbst; du würdest dich verpfänden und verlieren. Es giebt in der Welt einen einzigen Weg, auf welchem niemand gehen kann, außer dir: wohin er führt? Frage nicht, gehe ihn.“
Friedrich Nietzsche

Den eigenen Weg finden. Mut zu sich selbst

Ein Leben führen oder sich führen lassen: Wir sind so unterschiedlich unterwegs wie auf einer Wanderschaft. Die einen flanieren, die anderen marschieren geradewegs auf ein selbst gewähltes oder von anderen gesetztes Ziel zu; dieser bricht erst einmal auf und schaut unterwegs, was sich ergibt; jener macht Pausen und wartet auf Aufforderungen zum Weitergehen. Wir sind Reisende oder Touristinnen. Wir sammeln Erfahrungen mit richtigen und falschen Wegen, mit Sackgassen und Umwegen. Kein Rezept noch Ratschlag kann für alle gelten. Im Beratungsgespräch können Sie mehr Klarheit darüber erlangen, was der eigene Weg sein und wie er begangen werden kann.

„Denn du musst wissen, dass dich jeder unlösbare Gegensatz, jeder unheilbare Streit dazu zwingt, größer zu werden, damit du ihn in dich aufnehmen kannst.“
Antoine de Saint-Exupéry

Widersprüche und Gegensätze

Menschen leben in Widersprüchen und sind widersprüchlich. Zu jedem Leben gehört „Richtiges“ und „Falsches“. Als Philosophische Praktikerin nehme ich Fragen ernst, versuche zu entwirren, was sich verheddert hat, aber verzichte auf letzte Antworten.

„Seit alters haben Philosophen die Neigung, ihre Kundschaft auf eine Reise mit unbekanntem Ziel zu schicken. Dabei sind sie ihren Adressaten furchtlos vorangegangen. Ist doch die Philosophie selbst eine Expedition ohne erreichbares Ende – ganz wie das Streben nach einem wahrhaft guten Leben, das sie ihren Anhängern empfiehlt.“

Martin Seel

Nach oben scrollen